Aus der Geschichte des Konchyliensamrnelns


Die Anfänge des Konchyliensammelns lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Sehr wahrscheinlich besaß bereits der griechische Philosoph und Universalgelehrte Aristoteles (4. jh. v. Chr.) eine kleine Kollektion, die ihm bei der Abfassung seiner "Tierkunde", des zoologischen Standardwerks des Altertums, von Nutzen war.
Von zwei römischen Konsuln namens Laelius und Scipio, die rund 200 Jahre später lebten, ist überliefert, daß sie das Schalensammeln als erholsame Freizeitbeschäftigung betrieben.
Daß die vornehmen Römer für Schnecken und Muscheln etwas übrig hatten - und zwar nicht nur aus kulinarischen Gründen, läßt sich auch durch die Ausgrabungen von Pompeji belegen. Dort fand man verschiedentlich exotische Konchylien, die zweifellos als Raritäten erworben und aufbewahrt worden waren.


Naturalienkabinette

Erst in der Renaissance um 1500, als das jahrhundertelang verkümmerte naturkundliche Interesse neu erwachte, begann man überall in Europa die Schöpfungen der Natur mit Begeisterung, wenngleich vorerst noch ohne wissenschaftliche Ansprüche, zu sichten, zu studieren und zu katalogisieren.


Die ersten „Naturalienkabinette“ entstanden, in denen wohlhabende Liebhaber alle möglichen Objekte der belebten und unbelebten Natur zusammentrugen, die ihnen schön, exotisch oder einfach „kurios“ erschienen: Mineralien, Versteinerungen, ausgestopfte Tiere und natürlich auch Molluskenschalen.

Zentren dieses oft rührenden Sammeleifers waren Holland und England, zwei Länder, die dank ihrer weltumspannenden Handelsbeziehungen am ehesten Zugang zu den Schätzen ferner Länder und Meere hatten. Konchylien aus tropischen Regionen gelangten jetzt in großer Zahl nach Europa und erregten durch ihre bisher nie geschaute Schönheit und Farbenpracht allenthalben Aufsehen. Seltene Stücke wurden teuer bezahlt und mit klangvollen Namen bedacht.

Diese Meeresschnecke kann mit Fug und Recht als Muschelsammler mit der längsten Tradition gelten: Xenophora pallidula heftet sich zu Tarnung und zum Schutz vor Freßfeinden leere Weichtiergehäuse an die eigene Schale.
Berühmte Muschelsammler

Über die frühen holländischen Konchyliensammlungen ist uns nicht viel bekannt; wir kennen sie vor allem aus mehreren einschlägigen Gemälden flämischer Künstler. Der erste Engländer, von dem wir wissen, daß er zu Beginn des 17. Jahrhunderts eine große Kollektion besaß und öffentlich ausstellte, war der Forschungsreisende
John Tradescant. Seinem Beispielfolgten der berühmte Seefahrer
William Dampier und insbesondere Sir
Hans Sloane, der Nachfolger Newtons als Präsident der Royal Society.
Sloane investierte die gewaltige Summe von 50 000 Pfund in seine Schalensammlung, die er 1749 dem englischen Staat vermachte. Sie wurde später zum Grundstock der Konchyliensammlung des Britischen Museums.

Mittlerweile betrieb man das Sammeln mit immer mehr System und Sachverstand. 1758 veröffentlichte

Carl von Linné, der selber ebenfalls eine bedeutende Kollektion besaß, die zehnte und endgültige Auflage seines nomenklatorischen Hauptwerks „Systema Naturae“, das es den Liebhabern ermöglichte, ihre Objekte richtig zu klassifizieren und zu benennen.

Die genaue Identifizierung der Arten war trotzdem eine schwierige Sache, denn man war ausnahmslos auf gezeichnete und gemalte „Bestimmungsbücher“ angewiesen, die zwar aufwendig ausgestattet, aber nicht immer ganz zuverlässig waren. Solche Kompendien erschienen vom 17. bis 19. Jahrhundert in großer Fülle. Vollständige Exemplare wird man heute allerdings nur noch selten oder allenfalls zu fast unerschwinglichen Preisen auftreiben, aber einzelne Tafeln, die man barbarischerweise aus den alten Folianten herausgetrennt hat, werden hin und wieder angeboten. Sie kosten nicht allzuviel und geben einen beziehungsreichen Wandschmuck für die Wohnung des modernen Sammlers ab.

Doch wenigstens ein Privatsammler muß hier noch genannt-werden:
Hugh Cuming (1791 bis 1865), der die wohl größte utid wertvollste Schalensammlung aller Zeiten zusammenbrachte. Sie umfaßte fast 100 000 Einzelstücke, die zum größten Teil 1866 vom Britischen Museum erworben wurden.


Zwischen Wissenschaft und Hobby

Die erste große Epoche des Konchyliensammelns, in der es weitgehend eine exklusive und sehr kostspielige Liebhaberei der oberen Zehntausend blieb, ging mit dem 18. Jahrhundert zu Ende. Ein neues Zeitalter brach an, in der die Konchologie „demokratisiert“ und zugleich auf eine breitere wissenschaftliche Grundlage gestellt wurde.


Die Zahl der exakt beschriebenen Molluskenarten nahm sprunghaft zu, und, viele Schalen, die vorher selbst den vermögendsten Sammlern unbekannt geblieben waren oder als Raritäten mit Unsummen bezahlt werden mußten, wurden auf einmal allgemein zugänglich. Das verdanken wir vor allem der modernen Meeresforschung, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit James Cooks Südseereisen begann und im 19. Jahrhundert mit der großen „Challenger“-Expedition (1872-76) ihren ersten Höhepunkt erlebte.
Gleichzeitig verlagerte sich das Schwergewicht vom privaten Sammeln zur wissenschaftlichen Sammeltätigkeit der Forschungsinstitute und Museen.


Heute steht die systematische Sammelarbeit der wissenschaftlichen Institutionen eindeutig im Vordergrund. Aber das private Sammeln hat damit seinen Sinn keineswegs verloren. Ein Privatmann mit seinen beschränkten Mitteln und Möglichkeiten wird zwar nie die Vollständigkeit einer traditionsreichen Museumssammlung erreichen, doch er kann zuweilen auf einem Spezialgebiet Leistungen vollbringen, um die ihn jeder Museumskustos beneiden müßte.
Andererseits bieten die öffentlichen Schausammlungen dem privaten Liebhaber eine Vielzahl von Anregungen, Informationen und Vergleichsmöglichkeiten. Deshalb wird er es nie versäumen, auf Reisen die naturkundlichen Museen aufzusuchen, die über eine Konchylienabteilung verfügen.