Wirtschaftliche Bedeutung der Weichtiere


Bereits vor vielen jahrtausenden hat der Mensch erkannt, daß sich Muscheln und Schnecken vielfältig verwenden lassen. Die Weichteile vieler Arten sind eßbar und sogar ausgesprochen wohlschmeckend, und aus den Schalen und Gehäusen kann man Halsketten und sonstigen Zierat, aber auch nützliche Geräte wie Schaber, Bohrer, Schöpfkellen, Trinkgefäße, Tranlampen, Signalhörner usw. herstellen.
Daß unsere fernen Vorfahren seit der Altsteinzeit Weichtiere als Nahrung und Schmuckgegenstände verwendet haben, ist durch zahlreiche prähistorische Fundstätten belegt, in deren Umkreis haufenweise leergegessene oder polierte und durchbohrte Muschelschalen und Schneckengehäuse ausgegraben worden sind. Dabei ist es im Grunde bis heute geblieben, nicht nur bei primitiven Volksstämmen, sondern auch im hochzivilisierten Europa. In jeder Boutique gibt es Modeschmuck und allerlei Nippes aus Schnecken und Muscheln zu kaufen, und jedes Delikatessengeschäft führt Austern, Weinbergschnecken, Miesmuscheln, Tintenfischkonserven und andere Weichtierspezialitäten.


Das Tritonshorn ist in fast allen Kulturen seines Vorkommensgebietes als Trompete bzw. Signalhorn verwendet worden und wird auch heut noch z.B. von den Südseeinsulanern zu Verständigung auf See verwendet. Aber auch alle anderen großen Meereschneckenarten lassen sich als Trompete umfunktionieren.
Muschelgeld

Der allgemein gebräuchliche Begriff "Muschelgeld"" beruht auf einem Irrtum; denn nicht Muscheln, sondern Schneckengehäuse waren bis in die Gegenwart hinein die bevorzugte Währung bei vielen Naturvölkern.


Von Japan und China bis Afrika erstreckte sich das "Währungsgebiet"" der hübschen kleinen Porzellanschnecken, die man Geldkauris nennt. Ihr Wert schwankte natürlich in den verschiedenen Jahrhunderten und Ländern, doch im Lauf der Zeit bildete sich ein ziemlich einheitlicher, stabiler Kurs heraus. Das machten sich europäische Handelsunternehmen zunutze: Sie schafften ganze Schiffsladungen der massenhaft vorkommenden und somit praktisch wertlosen Kauris nach Afrika und Asien und bezahlten damit höchst wertvolle Rohstoffe.

Neben den Geldkauris wurden noch verschiedene andere Weichtierschalen als Geldersatz benutzt. Die nordamerikanischen Indianer stellten aus den Schalen der Venusmuschel Quahog (Mercenaria mercenaria) ihre Wampums her, die als Zahlungsmittel und Schmuck dienten, und bei manchen Stämmen erfüllten die Schalen der Meerohren oder die röhrenförmigen Gehäuse der Grabfüßer ("Elefantenzähne"") den gleichen Zweck. In Afrika wurde die Achatschnecke (Achatina fulica) ' eine der größten Landschnecken überhaupt, von den Eingeborenen zu scheibenförmigen "Münzen"' verarbeitet.



Geldcauri: Cypraea moneta
Perlen

Praktisch alle schalentragenden Weichtiere können Perlen hervorbringen, doch die zu Schmuck verarbeiteten Perlen stammen in aller Regel von den "Perlmuscheln',' der Gattung Pinctada, die in den tropischen Meeren leben.

Eine Perle entsteht, wenn ein Fremdkörper (Sandkörnchen, Parasit usw.) zwischen den Mantel und die Perlmutterschicht der Schale gerät. Dieser Kern wird von der ausgeschiedenen Schalensubstanz in feinen Schichten umhüllt, bis nach Jahren ein mehr oder weniger kugeliges Gebilde aus Perlmutter, eben die Perle, fertig ist. Bei den Zuchtperlen wird dieser Vorgang vom Menschen durch Einpflanzen eines Kerns in den Mantel künstlich angeregt und durch besonders sorgfältige Pflege der "geimpften" Muscheln beschleunigt.

Zuchtperlen sind zwar erheblich billiger als Naturperlen, weil ihre Gewinnung einfacher und weniger vom Zufall abhängig ist, unterscheiden sich aber äußerlich und in ihrer chemischen Zusammensetzung nicht von ihnen. Auch durch Röntgen- und UV-Strahlen lassen sich keinerlei Unterschiede feststellen, falls als Kern eine kleine Naturperle eingepflanzt wurde.



Perlauster:
Pinctata imbricata
Perlmutter

Jetzt wissen wir auch, woher der Name Perlmutter kommt: Die so benannte Substanz bildet die Perlen, ist also die „Mutter der Perle“.


Die irisierende Perlmutter war früher ein für Knöpfe, Schmuck und Intarsien sehr beliebtes Material, ist jedoch mittlerweile weitgehend durch Kunststoffe verdrängt worden. Sie ist längst nicht so teuer wie die chemisch gleichartigen Perlen, weil sie sehr viel leichter zu gewinnen ist. Vor allem die schweren Gehäuse der Meerohren sowie der Kreisel- und Turbanschnecken liefern Perlmutter in riesigen Mengen.


Purpur

Nur wenige Menschen wissen, daß der kostbare echte Purpurfarbstoff, der einst Kaisern, Königen und anderen hohen Würdenträgern vorbehalten war und später von den Kirchenfürsten als "Kardinalspurpur"" übernommen wurde, ebenfalls ein Weichtierprodukt ist.


Die alten Phönizier entdeckten vor rund 4000 Jahren, daß sich aus dem Sekret bestimmter Stachelschnecken (Familie Muricidae), vor allem aus dem Brandhorn und der eigentlichen Purpurschnecke (Trunculariopsis trunculus), eine prächtige rötlich-violette Tuchfarbe auskochen ließ, die überdies fast unbegrenzt haltbar war.
Der sagenhafte Wert dieses "Königspurpurs", dem das phönizische Handelsvolk zum großen Teil seinen Reichtum verdankte, erklärt sich daraus, daß für eine winzige Farbstoffmenge ungeheure Mengen von Schnecken benötigt wurden. Ein englischer Malakologe hat einmal ausgerechnet, daß der Purpur von 10 000 Schnecken gerade ausreichen würde, eine einzige Krawatte zu färben!

Purpurschnecken:
links:
Hexaplex trunculus rechts:
Bolinus brandaris

Porzellan

Eine bei den Sammlern sehr angesehene Schneckenfamilie heißt auf deutsch Porzellanschnecken. Diese Tiere erzeugen zwar kein Porzellan, aber sie haben ihm den Namen gegeben. Als Marco Polo im 13. Jahrhundert das erste feine Porzellan aus China nach Europa brachte, fiel seinen Freunden sofort die verblüffende Ähnlichkeit dieses Werkstoffes mit jenen Mittelmeerschnecken auf, die man in Italien „porcellane“ oder „porcellette“ nannte.


So erhielt das Porzellan seinen Namen von einer schlichten Meeresschnecke - und nicht umgekehrt, wie man vermuten möchte!